Straßennamen erzählen Ortsgeschichte, das ist besonders wichtig für Zugezogene.
Wer sich heute über die Straßen Kohlscheids informieren will, kommt um den „Kohlscheider Straßenspiegel“ und seine Ergänzung nicht herum. Der Straßenspiegel ist d a s Nachschlagewerk für Informationen zur näheren Wohnumgebung; er gehört in jeden Kohlscheider Haushalt; in ihm werden 170 Straßen
beschrieben, 7 in der Ergänzung.
An die Zeit, in der die Einwohner Kohlscheids im 19. Jahrhundert noch ohne Straßennamen auskamen, erinnert sich 1923 der damals 70jährige Lambert Schroiff:
In gleicher Weise verhielt es sich mit der Benennung der Straßennamen. Unsere Eltern hatten keine modernen Straßenschilder und Hausnummern notwendig, durch Tradition hatten nicht allein die
Hauptstraßen ihren allbekannten Eigennamen, sondern die Hauptstraßen zerfielen in besondere Häusergruppen, und diese hatten wieder ihren besonderen Namen.
Als Beispiel will ich nur die eine Hauptstraße, die jetzige Südstraße anführen. Diese Straße hieß einfach "Ejene Scheedt" (in Kohlscheid) und hatte außerdem noch vom jetzigen
Marktplatze an bis zur Kaiserstraße folgende Nebenbezeichnungen: "op Kölleschouf" (auf Kölner Hof), "op gene Steng" (auf dem Steinweg), "op gene Poul" (auf dem Pfuhl), "op gene Lütz", "op gene
Dresch", "op gen Tuffel", "ejene Pouth" und aan et Dreekäntche". Kam nun ein Fremder nach hier und fragte nach irgend einem Einwohner, so wußte der Kohlscheider gleich Bescheid und sagte: "De
wohnt ejene Pouth", ejene Tuffel, op gen Lütz oder op gene Poul, je nachdem der Betreffende gerade wohnte, und der Fremde braucht nur "ejene Scheedt" nach diesem Eigennamen zu fragen, und jedes
Kind konnte ihm Bescheid sagen, wo die betreffende Häusergruppe lag, und ohne vieles Suchen konnte derselbe seinen Freund, Verwandten oder Geschäftskollegen auffinden.
Der Vollständigkeit wegen will ich noch die Namen der anderen Hauptstraßen anführen. Wie bereits vorhin erwähnt, hieß die jetzige Weststraße "Der Viehweg", wahrscheinlich, weil
von Zeit zu Zeit ein paar Schweine von der Bahn kommend, diese Straße passieren mußten. Die Nordstraße hieß in ihrer vorderen Hälfte bis an den Bauernhof (heute Ecke
Kreutzstraße) heran "op den Krützstroes" (Auf der Kreutzstraße) und mit ihrer anderen Hälfte auf Klinkheide zu "Ejen Scheedtheck" (In den Kohlscheider Hecken). Ejen Scheedheck hieß der untere
Teil der Nordstraße wohl nur deshalb, weil zu beiden Seiten der Straße sich noch kein einziges Haus befand, und sie deshalb den Namen Straße nicht beanspruchen konnte, wie denn überhaupt die zu
Kohlscheid gehörigen Ortschaften ganz von Kohlscheid abgetrennt lagen, weil die Verbindungsstraßen, welche dieselben jetzt mit Kohlscheid verbinden, gänzlich fehlten. ...
Auch die jetzige Holzerstraße war nur ein elender morastiger Feldweg, nannte sich doch aber schon "in den Holz". Die Oststraße hieß in ihrem oberen Teil von der Kirche an bis zur Grube Langenberg "ej en heeh" (in der Heide), denn auf dem Platz der Tonhalle (heute Markt 31) gegenüber stand noch ein Komplex fußhohen Heidekrauts, und der untere Teil der Straße hieß "Hongeneich " (hohe Eiche) und ich erinnere mich noch genau, dass die hohen Waldbäume des Kohlscheider Waldes bis an die Umfassungsgmauer der Grube Langenberg heranreichten, bis dort, wo jetzt die Häuser und Gärten der Bardenberger Straße (heute Am Langenberg) liegen.
Quelle:
Schroiff, Lambert: Jugenderinnerungen eines 70 Jährigen.
In: Gasten St. Katharina Kohlscheid. 1904-1945.
Heute kennen wir Kohlscheid nur noch mit gut befestigten Straßen. Seit wann ist das so? Früher war das nicht selbstverständlich, unsere Laurwegstraße war bis 2003 nicht befestigt, d.h. Staub im
Sommer und Schlaglöcher in der feuchteren Jahreszeit und gefrorene „Tümpel“ im Winter sind uns sehr bekannt.
Ein Blick in den Straßenspiegel zeigt, dass viele Kohlscheider Straßen erst in den Jahren zwischen 1900 und 1925 ausgebaut wurden. Erwähnt werden für diesen Zeitraum z.B. die Kaiserstraße, die
Nordstraße, die Mühlenstraße; das betraf vermutlich noch weitere der zentraleren Straßen.
Man kann also davon ausgehen, dass die meisten Straßen in Kohlscheid nach 1900 noch lange unbefestigt geschweige denn kanalisiert waren.
Am 14.09.1934 berichtet der Westdeutsche Beobachter, dass die Bismarck-, West-, Süd-, Bardenberger Straße und der Hindenburgplatz kanalisiert werden. [#]
Zur Instandhaltung der Straßen, vermutlich vor 1900, noch einmal Lambert Schroif:
Für die Instandhaltung der Wege war als einzige gelernte Kraft ein alter Pflastermeister eingestellt. Es gab damals noch keine Gemeindearbeiter, welche für die Brauchbarkeit der Gemeindewege
Sorge trugen, sondern jeder steuerzahlende Bürger wurde durch Gestellungsorder aufgefordert, so oder so viele Tage im Jahr für die Gemeinde ohne Entgelt Handarbeit zu leisten. Pferde- und
Fuhrwerksbesitzer mußten dann auch ihre Fuhrwerke unentgeltlich zur Verfügung stellen.
Letztere holten dann aus einem Steinbruch aus dem Kohlscheider Gemeindewald mächtige dicke Steine heraus, welche von den Handarbeitern klein geklopft und dann zur Beschotterung der Straße an den
schlechtesten Stellen derselben benutzt wurden; und auf diese Tätigkeit beschränkte sich die ganze Sorgfalt der Gemeindevertretung für die Instandhaltung der Kommunalwege.
Eine Anekdote noch:
Am 1. September 1899 brannte am Markt in Kohlscheid die erste elektrische Glühbirne im Landkreis Aachen. Möglich machte dies die gerade eingerichtete Energiezentrale der Berliner Firma Gieldzinski, die am 21. März 1900 in der „Rheinischen Elektricitäts- und Kleinbahnen Aktiengesellschaft (REKA) aufging. (ausführlicher: Erste elektrische Glühbirne brennt)