Wie sah Kohlscheid um 1885 aus?

Erinnerungen des Augenzeugen Lambert Schroiff

Die Jugenderinnerungen des Lambert Schroif sind eine wichtige heimatkundliche Quelle. 1853 geboren, schrieb er 70jährig auf, wie er Kohlscheid früher erlebt hat. Er überblickt dabei die Zeit von vor 1900 bis nach 1908, der Umbenennung.
(Seine Schilderung kann man nur nachzuvollziehen, wenn man sich die heutige, geschlossene Bebauung weg denkt.)

Quelle:
Schroiff, Lambert: Jugenderinnerungen eines 70 Jährigen.
In: Gasten St. Katharina Kohlscheid. 1904-1945.

Wenn ich mir das Kohlscheid vor 50 bis 60 Jahren [= ca. 1885]  in bautechnischer Weise vorstelle, so kommt es mir fast unglaublich vor, dass unsere Ortschaft sich in dieser kurzen Zeit so glänzend entwickelt hat. Kohlscheid macht jetzt den Eindruck einer kleinen wohlhabenden Stadt, während es damals noch ein kleines, unansehnliches und verkrüppeltes Bauerndorf war. Die Häuser der unzusammenhängenden Straßen waren meistenteils in Holzfachwerk aufgeführt und mit Stroh gedeckt, und auf den Dächern, besonders auf den Dachfirsten, wuchs nicht allein Moos, Gras und allerhand wilde Blumen, sondern sogar auch zuweilen ein vollständiges Kornährenfeld machte sich dort breit. Letzteres kam nämlich daher, dass man in den Lehm, welchen man zur Herstellung der Strohdächer gebrauchte, gehacktes Stroh gemischt hatte zur besseren Haltbarkeit, und in diesem Stroh befanden sich dann neben einzelnen zurückgebliebenen Saatkörnern auch oft noch ganz gefüllte Ähren, und diese schossen dann in dem feucht gemachten Lehm üppig ins Kraut. Auf unserem Dach stand dieser Roggen in so ausgiebiger Menge, dass es sich, besonders wie jetzt die Zeiten sind, gut rentiert haben dürfte, wenn dasselbe abgeerntet worden wäre. Doch unsere Eltern sagten, das hat Gott wachsen lassen für die Vögel des Himmels.