Kohlscheid vor 1900

Erinnerungen eines Augenzeugen

Immer wieder tauchen in heimatkundlichen Quellen die Jugenderinnerungen des Lambert Schroif auf. 1853 geboren, schrieb er 70jährig auf, wie er Kohlscheid früher erlebt hat. Er überblickt dabei die Zeit von vor 1900 bis nach 1908, der Umbenennung.
(Seine Schilderung kann man nur nachzuvollziehen, wenn man sich die heutige, geschlossene Bebauung weg denkt.)

Quelle:
Schroiff, Lambert: Jugenderinnerungen eines 70 Jährigen.
In: Gasten St. Katharina Kohlscheid. 1904-1945.

Die Bebauung

Wenn ich mir das Kohlscheid vor 50 bis 60 Jahren (also ca. 1885)  in bautechnischer Weise vorstelle, so kommt es mir fast unglaublich vor, dass unsere Ortschaft sich in dieser kurzen Zeit so glänzend entwickelt hat. Kohlscheid macht jetzt den Eindruck einer kleinen wohlhabenden Stadt, während es damals noch ein kleines, unansehnliches und verkrüppeltes Bauerndorf war.

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Ejen Scheedheck hieß der untere Teil der Nordstraße wohl nur deshalb, weil zu beiden Seiten der Straße sich noch kein einziges Haus befand, und sie deshalb den Namen Straße nicht beanspruchen konnte, wie denn überhaupt die zu Kohlscheid gehörigen Ortschaften ganz von Kohlscheid abgetrennt lagen, weil die Verbindungsstraßen, welche dieselben jetzt mit Kohlscheid verbinden, gänzlich fehlten. Kohlscheid war damals gegen jetzt gerechnet so unbedeutsam, dass, wenn man auf der Höhe der Zeche Kämpchen stand und seinen Blick in der Richtung nach Pannesheide schweifen ließ, man außer einigen Häusern von Vorscheid nur den Kirchturm und einige Dächer Kohlscheids mit ihrem Kornährenschmuck sah, die Zeche Laurweg und einige Häuser der Roemonder Straße, auch einige alte vergangene Schächte und verfallene Schachtgebäude, kein einziges Haus bis zum Gute Neufohrensberg bei Pannesheide, welch letzteres dann bei heiterem Wetter einen angenehmen Hintergrund bildete.

 

Quelle: Gasten, Josepf; Franken, Karl (1989): St. Katharina Kohlscheid. 1904-1945. Herzogenrath

Keine Straßennamen

Unsere Eltern hatten keine modernen Straßenschilder und Hausnummern notwendig, durch Tradition hatten nicht allein die Hauptstraßen ihren allbekannten Eigennamen, sondern die Hauptstraßen zerfielen in besondere Häusergruppen, und diese hatten wieder ihren besonderen Namen.
Als Beispiel will ich nur die eine Hauptstraße, die jetzige Südstraße anführen. Diese Straße hieß einfach "Ejene Scheedt" (in Kohlscheid) und hatte außerdem noch vom jetzigen Marktplatze an bis zur Kaiserstraße folgende Nebenbezeichnungen: "op Kölleschouf" (auf Kölner Hof), "op gene Steng" (auf dem Steinweg), "op gene Poul" (auf dem Pfuhl), "op gene Lütz", "op gene Dresch", "op gen Tuffel", "ejene Pouth" und aan et Dreekäntche". Kam nun ein Fremder nach hier und fragte nach irgend einem Einwohner, so wußte der Kohlscheider gleich Bescheid und sagte: "De wohnt ejene Pouth", ejene Tuffel, op gen Lütz oder op gene Poul, je nachdem der Betreffende gerade wohnte, und der Fremde braucht nur "ejene Scheedt" nach diesem Eigennamen zu fragen, und jedes Kind konnte ihm Bescheid sagen, wo die betreffende Häusergruppe lag, und ohne vieles Suchen konnte derselbe seinen Freund, Verwandten oder Geschäftskollegen auffinden.
Der Vollständigkeit wegen will ich noch die Namen der anderen Hauptstraßen anführen. Wie bereits vorhin erwähnt, hieß die jetzige Weststraße "Der Viehweg", wahrscheinlich, weil von Zeit zu Zeit ein paar Schweine von der Bahn kommend, diese Straße passieren mußten. Die Nordstraße hieß in ihrer vorderen Hälfte bis an den Bauernhof (heute Ecke Kreutzstraße) heran "op den Krützstroes" (Auf der Kreutzstraße) und mit ihrer anderen Hälfte auf Klinkheide zu "Ejen Scheedtheck" (In den Kohlscheider Hecken). Ejen Scheedheck hieß der untere Teil der Nordstraße wohl nur deshalb, weil zu beiden Seiten der Straße sich noch kein einziges Haus befand, und sie deshalb den Namen Straße nicht beanspruchen konnte, wie denn überhaupt die zu Kohlscheid gehörigen Ortschaften ganz von Kohlscheid abgetrennt lagen, weil die Verbindungsstraßen, welche dieselben jetzt mit Kohlscheid verbinden, gänzlich fehlten. ...

Auch die jetzige Holzerstraße war nur ein elender morastiger Feldweg, nannte sich doch aber schon "in den Holz". Die Oststraße hieß in ihrem oberen Teil von der Kirche an bis zur Grube Langenberg "ej en heeh" (in der Heide), denn auf dem Platz der Tonhalle (heute Markt 31) gegenüber stand noch ein Komplex fußhohen Heidekrauts, und der untere Teil der Straße hieß "Hongeneich " (hohe Eiche) und ich erinnere mich noch genau, dass die hohen Waldbäume des Kohlscheider Waldes bis an die Umfassungsmauer der Grube Langenberg heranreichten, bis dort, wo jetzt die Häuser und Gärten der Bardenberger Straße (heute Am Langenberg) liegen.